Diese Unterrichtsidee geht auf einen Text von Kristian Köhntopp1) zurück. Dieser ist nicht mehr auf der Originalwebseite abrufbar, sondern nur noch archiviert. Mit diesem Artikel kam mich mich selbst zu ersten Mal die Einsicht, dass Lesen im Zeitalter der Digitalität sich vom Lesen unter den Bedingungen des Gutenbergzeitalters unterscheidet.
In der konkreten Unterrichtssituation ging dabei um eine erste Annäherung an einen unbekannten literarischen Text. Die Schülerinnen und Schüler bekamen dazu auf Papier drei Artikel vorgelegt:
Die Die Schülerinnen und Schüler sollten zunächst nur auf Basis des Textmaterials sagen, welcher Quelle sie vertrauen würden. Intuitiv hat bei allen der Kindler gewonnen, obwohl ich Satz und Schriftart bei einen drei Texten angeglichen habe und sie auch alle den gleichen Umfang aufwiesen. Wikipedia folgte auf dem zweiten Rang und weit abgeschlagen rangierte irgendeine Webseite.
Intuition ist aber keine objektive Instanz: Dem Kindler darf man glauben, weil es ihn schon so lange gibt und weil er auch in geisteswissenschaftlichen Kreisen als qualitativ brauchbares Werk anerkannt ist. Die statische Webseite wird oft von einer einzigen Person gestaltet, deren Reputation man in der Regel gerade in jungen Jahren schwer einschätzen kann. Wikipedia ist m.E. konzeptionell klassischen Lexika überlegen, weil im besten Fall Inhalte einem evolutionären Prozess der ständigen Veränderung unterworfen sind: Die Artikel werden überarbeitet, diskutiert und mit Belegen ausgestattet.
Das Problem ist nur, dass man erkennen muss, in welchem Stadium seiner Evolution sich der jeweilige Wikipediaartikel gerade befindet, während man bei der Neuauflage eines Lexikons in der Regel von einer fachkundigen Revision ausgehen kann. Und das Erkennen funktioniert gerade nicht durch lineare Lesestrukturen, wie sie die Schule primär vermittelt, sondern ganz anders. Daher ein paar Tipps für Schülerinnen und Schüler beim Lesen von Wikipedia:
Durch die ersten drei Schritte, die mit ein wenig Übung gar nicht so lange dauern und die teilweise auch ganz andere Perspektiven beim „richtigen Lesen“ ermöglichen, komme ich eigentlich fast immer sehr gut in das Thema hinein, gerade wenn ich in den „Artikelumweltstudien“ Anknüpfungspunkte zu meinem bestehenden Wissen finde. Ein Restrisiko bleibt immer – strenggenommen aber auch beim Kindler.