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 ==== Schulserverlösungen ==== ==== Schulserverlösungen ====
 ==== Lernplattformen ==== ==== Lernplattformen ====
-==== Der sterbende(?) Computerraum ====+ 
 +=== Vorbemerkung: === 
 +Ich äußere hier meine Sicht und meine Meinung zum Thema Lernplattformen, die sich allein auf meinem persönlichen Erfahrungswissen gründet. Auch ich kenne Schulen, an denen es mit einer Lernplattform gut läuft und auch ich denke, dass in bestimmten Konstellationen eine Lernplattform ggf. hilfreich für Schulentwicklung sein kann. 
 + 
 +=== Warum ich Lernplattformen sehr kritisch sehe === 
 +Lernplattformen wie Moodle, Commsy oder auch kommerzielle Varianten wie itslearning, Webweaver, Google Classroom und iTunes U stellen eine virtuelle Lernumgebung bereit. 
 + 
 +Das Prinzip ist fast immer gleich: Ein zentrales Login ermöglicht Zugriff auf bestimmte Funktionen, die sich gruppieren und strukturieren lassen, z.B. kann ich innerhalb von Moodle sogenannte Kurse anbieten, die diverse Funktionen bereitstellen, etwa ein Forum, Arbeitsmaterialien, eingebettete Medien, Onlinetests u.v.m.. Diese Kurse kann ich teilen, exportieren, wiederverwerten, gemeinsam mit anderen Lehrkräften entwickeln. Darüberhinaus werden zunehmend Kurationstools eingesetzt, etwa bei iTunes U: Ich kann ähnlich wie bei paper.li Webinhalte auf einer speziellen Seite zusammenstellen – quasi ein Webquest auf multimedial. 
 + 
 +Das hört sich erstmal prima an. Ich war in Deutschland lange Zeit sehr aktiv in der Moodleszene und hatte als Berater Zugriff auf zahlreiche Testinstallationen kommerzieller Produkte. Ich bin kein Maßstab, weil ich zentralisierte Dinge für die Arbeit mit digitalen Medien nicht mehr benötige, aber keine der Teststellungen und keine meiner Testinstallationen in den letzten Jahren hat mich in irgendeiner Weise dazu gebracht, Spaß oder Freude bei der Arbeit mit dem jeweiligen System zu empfinden. 
 + 
 +Das ist ja auch nicht zwingend notwendig, aber dazu kam, dass auch der für mich sehr typische pragmatische Zugang auf keiner der Lernplattformen möglich war: Sie kosteten mich einfach nur Zeit durch die komplizierte Bedienung, die vorgegebenen Strukturen, das oft haarsträubende Dateimanagement, die proprietären Schnittstellen – und ich halte mich selbst für einen mittelmäßig begabten Anwender (das ist etwas völlig anderes als ein Techniker oder Administrator). Es gibt eine Reihe von Werbeaussagen zu Lernplattformen, die ich im Folgenden einmal aufs Korn nehmen möchte: 
 + 
 +=== 1. Eine Lernplattform bietet schulweit einen geschützten Raum mit klar definierter Benutzerführung === 
 + 
 +Das stimmt von einem technologischen Standpunkt aus. Hypothetisch bietet sie das. „Schulweit“ bedeutet für mich, dass alle Lehrkräfte in diese Plattform eingewiesen sind und regelmäßig im Unterricht mit ihr arbeiten. Nur so entwickeln sich Routinen im Alltag. Tatsächlich höre ich von Schulen, in denen Lernplattformen „eingeführt“ sind, ganz oft ganz andere Dinge. „Schulweit“ bedeutet in der Realität oft genug „drei oder vier besonders aktive Lehrkräfte mit ihren Lerngruppen“. 
 + 
 +„Schulweit“ ist eine Haltung, die schon vorhanden sein muss, bevor eine Lernplattform ihr unterstützendes Potential überhaupt entwickeln kann. 
 + 
 +„Einfach mal machen“ führt oft genug lediglich dazu, dass eine Lernplattform 1:1 die Strukturen an einer Schule abbildet – somit ist sie für mich dann zwar ein tolles Beratungsinstrument, aber oft genug sehr bald für die Schule selbst eine zusätzliche Belastung. 
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 +Man sieht das recht hübsch an den Diskussionen im deutschen Forum auf moodle.org. Immer noch drehen sich gefühlt 90% der Fragen um Sperren, Einschränken, Bewertungsraster feintunen und ähnliche Dinge. 
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 +Wenn ich versuche, in Richtung  „schulweit“ zu beraten, kommt seltsamerweise am Schluss oft eben nicht die Entscheidung für eine Lernplattform dabei heraus, sondern erstmal sowas in die Richtung wie Dateiaustausch, Termine, E-Mail – also typische Cloudfunktionen. Danach entwickelt es sich oft eher von dem Grundkonstrukt „Lernplattform“ weg. 
 + 
 +=== 2. Eine Lernplattform bietet erweiterte Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften durch z.B. Austausch von Materialien, Aufgabenstellungen und Medien === 
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 +Das stimmt von einem technologischen Standpunkt aus. Hypothetisch bietet sie das. Ich kann z.B. bestimmte Strukturen exportieren und im nächsten Jahr wiederverwenden. Wenn ich einen Kurs zum Thema „Programmieren mit Arduino“ erstellt habe, kann ich diesen darüberhinaus mit anderen Lehrkräften teilen. Bei Moodle kann ich sogar im gleichen Kurs mit verschieden Gruppen gleichzeitig arbeiten, ohne dass diese Gruppen sich gegenseitig sehen. Ich kann das. Was ist mit meinem Kollegen, der nicht einmal weiß, wie er das Bild des Notebooks auf den Beamer bekommt? Der wird schon an der Anmeldung und der Einrichtung eines Kurses in Moodle scheitern – andere Systeme sind da aber tatsächlich entschieden intuitiver. 
 + 
 +Wer darüberhinaus schon einmal einen Kurs in einer Lernplattform gebaut hat, weiß, dass das oft Stunden dauert – für mich völlig ineffizient. Zudem will ich ja gerade nicht nur Inhalte bereitstellen, sondern ich möchte mich z.B. im Fach Deutsch mit meinem Fachwissen mit den von SuS erstellten Inhalten auseinandersetzen und sie selbst darüber ins Gespräch bringen. 
 + 
 +Wenn ich hingegen Inhalte bereitstellen muss (z.B. im Fach Chemie), dann tue ich das doch nicht auf einer proprietären Lernplattform mit ihren für mich extremst eingeschränkten Im- und Exportfunktionen. Meine Inhalte sind für mich als Lehrer eine essentielle Ressource, mit der ich mich nicht an ein Format binden möchte, was ich nicht selbst kontrollieren kann. Wenn eine Schule z.B. jahrelang bei Anbieter x auf Lernplattform y gearbeitet und der Anbieter dann z.B. die Preisstruktur massiv ändert (das ist kein hypothetisches Setting, sondern das kommt vor!) – sage ich dann als Schule: „Och, jetzt ist zwar die Arbeit von Jahren im System, aber den Preis, nö, den zahle ich nicht und wechsle jetzt zu Anbieter z!“ 
 + 
 +Meiner Meinung nach unterschätzen viele Anbieter genau diesen Aspekt, weil er selten so klar formuliert wird, aber intuitiv bei vielen Lehrkräften eine sehr große Rolle spielt. Dazu kommt die Angst, dass Materialien durch die digitale Präsenz auf einmal auch beurteil- und evaluierbar werden. Das kann man kritisieren und doof finden. Die Angst bleibt trotzdem. 
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 +=== 3. Eine Lernplattform ist ein zentrales Instrument zur Organisation von Kommunikationsprozessen an Schulen und schafft so Transparenz === 
 + 
 +Das stimmt von einem völlig veralteten technologischen Standpunkt aus. Meist funktionieren Lernplattformen so, dass man sich über eine Weboberfläche einloggen muss, um dann auf eine Art Dashboard zu kommen, was alle relevanten Informationen für mich anzeigt. Oder es gibt eine gesonderte App für ein Mobilgerät (Handy, Tablet), die das für mich erledigt. In meiner Welt (und in der Welt der Mobilgeräte überhaupt) findet Datenaustausch aber recht anders statt: 
 + 
 +  * E-Mail über imaps 
 +  * Termine über CalDAVs 
 +  * Dateien über WebDAVs 
 +  * Nachrichten über XMPP (mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung) 
 +  * Kontaktdaten über CardDAVs 
 +  * Inhalte über XML 
 +  * […] 
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 +Das sind alles offene Protokolle/Formate, wie sie jeder von uns täglich nutzt ohne es zu wissen, weil irgendeine App das erledigt, die wir entweder vom Hersteller des Betriebssystem übernehmen oder aber selbst bestimmen. Hersteller von Lernplattformen neigen zum überwiegenden Teil dazu, diese offenen, freien und verschlüsselten Standards durch irgendetwas zu ersetzen, das nur zu ihrer jeweiligen Lernplattform passt. 
 + 
 +=== Soll man also keine Lernplattform einsetzen? === 
 + 
 +Nein. Natürlich soll man ernsthaft prüfen, ob eine Lernplattform für die eigene Schule eine Möglichkeit darstellt. Erfolgreich wird man dabei aber nur sein, wenn man die [[buch:orientierungsphase|Orientierungphase]] gut gestaltet und auch [[/buch/kapitel04#der_nervende_datenschutz|Datenschutzbelange]] in den Blick nimmt.  
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 +==== Der Raum als zweiter Pädagoge ==== 
 +Als medienpädagogischer Berater spüre ich zunehmend die Tendenz, das alte PC-Raumkonzept aufzugeben. Praktisch drückt sich darin aus, dass so manche Verantwortliche hier im Lande davon ausgehen, ihre PC-Räume zu letzten Mal mit neuer Hardware auszustatten. Gleichzeitig gibt es zwar viele Ideen und Experimente, wenn es um Konzepte geht, die den PC-Raum ablösen sollen – für viele ist das auch schon heute gar keine Frage mehr: Pads und mobile Geräte sind die Zukunft. 
 + 
 +Meine Definition von Zukunft ist, dass ich sie heute nicht kenne. Nur weil etwas für mich als Erwachsener funktioniert und ich es auch mit Lerngruppen gerne tue, muss es noch lange nicht für ein System funktionieren. Ich möchte gerne herausfinden, was funktioniert – und zwar nicht allgemein, sondern für mein konkretes System. Dazu haben wir bei uns in Cloppenburg einen Pilotraum gebaut, in dem interessierte Kolleginnen und Kollegen auch mit ihren Lerngruppen einfach einmal Dinge ausprobieren können.  
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 +{{ :buch:lernlab.png?450 |}}  
 + 
 +//Orange sind Präsentationbereiche:// Das können Mimio- oder digitale- Tafellösungen sein. Es gibt oben einen festen Bereich mit zwei Beamern nebeneinander – dort stelle ich mir auch sowas wie Konferenzen vor und es gibt an den Seiten flexible Bereiche auf einem Schienen- oder Rollensystem. Als Sitzmöbel im oberen Bereich denke ich mir sowas wie Kirchentagskartons in edel vor: flexibel und im Stapelsystem auch als Raumteiler nutzbar (Vielleicht muss man bei manchen Klassen dann noch Fangnetze vor dem hinteren Bereich installieren…). 
 + 
 +//Rot sind Tischsysteme:// Die hätte ich gerne mit Ethernetdosen ausgestattet – insbesondere für Arbeiten, die Bandbreite oder niedrige Latenzen erfordern. Dort könnten Laptops stehen. Die stehen dort deshalb, weil zumindest bei uns auch jenseits von touchibunti-socialmedia-kommunizieri auch Messsysteme, Robotik- und Codeprojekte gibt, bei denen Tablets lieb gemeint, aber aufgrund ihrer miserablen Multitaskingfähigkeit und Schnittstellenausstattung ein Vollausfall sind (serielle Schnittstelle oder USB wäre da schon gut). Auch Dinge wie Bild-, Ton- und Videobearbeitung sind bei uns nach wie vor ein Thema.  Ich würde gerne am Rand auch Einzelarbeitsplätze mit leistungsfähiger Hardware oder Anbindung einen einen leistungsstarken Server anbieten – z.B. für Rendering. 
 +// 
 +Blau sind Schranksysteme// mit einem Angebot an Endgeräten: Das können z.B. Tablets, aber auch Notebooks sein, die man sich als Lehrkraft dann auch für Gruppenarbeiten im normalen Klassenraum ausleihen kann, die aber natürlich auch im Lab auf Kuschel- und Snoozelecken genutzt werden dürfen. 
 + 
 +Im Lab gibt es ein starkes WLAN, dass allen Schülerinnen und Schüler auch für ihre eigenen Endgeräte zur Verfügung steht. Mittels RDP oder VNC kann auch von diesen Endgeräten aus dann z.B. Software genutzt werden, die auf dem Server läuft und ein spezielles OS erfordert. 
 + 
 +Mit so einem Raum lassen sich m.E. vielfältige Erfahrungen sammeln, was an Konzepten sich wirklich für einen breiteren Einsatz eignet – die technische Umsetzung bedarf natürlich auch einer Erprobung. Zudem kann ich in einem solchen Raum nach wie vor lehrerzentriert arbeiten – das ist wichtig, um möglichst viele Menschen mit ins Boot zu bekommen. 
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 +=== Der sterbende(?) Computerraum === 
 +PC-Kabinette, Rechnerpools - die Beschreibungen für einen PC-Raum klingen meist nicht sehr freundlich und im Vergleich mit dem oben beschriebenen Lernlab fällt ein solcher von seiner Begeisterungsfähigkeit natürlich deutlich ab. Das hat folgende Gründe: 
 +  * in einem PC-Raum lässt sich meist nur am PC arbeiten - mehodische Vielfalt oder unterschiedliche Sozialformen sind i.d.R. nicht möglich 
 +  * klassische Büro-PCs, wie sie in Schulen oft zum Einsatz kommen, bieten für wirklich aufwändige kreative Arbeit (z.B. Videoschnitt oder Bildbearbeitung) meist zu wenig Leistung 
 +  * die "Rüstzeit" ist immens: Ich muss einen solchen Raum buchen, mit Schülerinnen und Schülern dort hingehen, die Rechner hochfahren und am Ende darauf achten, dass der Raum ordentlich verlassen wird.  
 +Allerdings verfügen heutzutage immer weniger Schülerinnen und Schüler über Grundkompetenzen in der PC-Bedienung und diese Geräte spielen nach wie vor im Berufsleben eine gewichtige Rolle - gerade bei Dingen wie 
 +Officeanwendungen 
 +  * Fachanwendungen für bestimmte Berufszweige 
 +  * Verlagssoftware zu Lehrwerken (meist windowsbasiert) 
 +  * Organisation von Informationen in Dateisystemstrukturen 
 +  * Informatikunterricht 
 +  * Durchführung von Onlinediagnosen 
 +  * Durchführung von Evaluationen 
 +  * ggf. Durchführung von Anmelde- und Wahlverfahren 
 +Richtig aufgesetzt sind PC-Räume sehr unaufwändig zu warten und "fressen hier nicht viel Brot". Es kann sich je nach Konzept und Ausrichtung der Schule durchaus lohnen, sie zu erhalten und weiterzuentwickeln. 
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 +~~DISCUSSION~~   
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