Jeder, der sich mit Einsatz von digitalen Medien in der Schule beschäftigt, trifft irgendwann auf den Themenbereich des Datenschutzes. Er wird oft als komplexes, die digitale Entwicklung in Deutschland hemmendes Thema verstanden: Er ist im Weg und dient Kritikern des Wandels gelegentlich auch als Vorwand für Verhinderungsdiskurse. Wenn man als z.B. Lehrkraft, Schulleitung oder Gewerkschaft etwas nicht will, kann man ja schließlich immer auf Datenschutzproblematiken verweisen (oder wahlweise auf die Gefahren der WLAN-Strahlung). Gegen diese Form der Kritik scheint in einem hierarchisch organisieren System wie Schule zunächst kein Kraut gewachsen zu sein, wie immer neue frustrierte Tweets aus dem Twitterlehrerzimmer zeigen.
Dabei ist der Datenschutz ein komplexes Feld, da im Wesentlichen formal-juristisches abgearbeitet werden muss. Zunächst hört sich das beherrschbar an, leider steckt der Teufel im Detail. Viele Rechtsnormen im Bereich Schule sind bisher noch nicht hinreichend an die europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) angepasst, sodass immer wieder Unsicherheiten hinsichtlich der konkreten Rechtsauslegung bestehen - die kann durchaus auch innerhalb eines Bundeslandes variieren. Dieser Umstand lässt sich trefflich dazu missbrauchen, nahezu jedes digitale Pflänzchen an einer Schule unter dem Mythos der Grundrechtswahrung von Schülerinnen und Schülern im Keim zu ersticken.
Streng genommen kann die Auseinandersetzung mit dieser unsicheren rechtlichen Lage aber nicht Aufgabe von Schule sein: Wenn man sich als Schule durch z.B. eine rechtliche Beratung durch die vorgesetzte Behörde absichert, ist beamtenrechtlich m.E. keine individuelle Haftung möglich - wobei innerhalb von Schule eh die Frage ist, an welchen Stellen konkret z.B. Vermögensschäden entstehen, die eine Haftung nach sich ziehen. Denkbar ist theoretisch die Belegung der Schule mit einem Bußgeld.
Trotzdem machen sich Kritiker Digitalisierung immer wieder zunutze, dass formal vieles noch in der Klärung ist und fordern zunächst die Beseitigung dieser „Missstände“, bevor in Schulen im und zum digitalen Raum gearbeitet werden dürfe. Vordergründig geht es dabei um den „Schutz der Kinder“, die Wahrung von deren Grundrechten und der beim Lernen produzierten Daten. Dabei wird teilweise auch nicht differenziert zwischen Schulen, die Angebote kommerzieller Anbieter nutzen oder z.B. auf selbstgehostete OpenSourcelösungen setzen. Hintergründig stehen da oft Schutzbedürfnisse von Lehrkräften und Eltern, die angesichts des gesellschaftlichen Drucks und der Rahmenbedingungen im Schulsystem nachvollziehbar überfordert sind.
Das ernstzunehmen sind wichtige Anliegen, es wird aber die historische Tatsache negiert, dass Recht und Praxis immer eng miteinander verwoben sind. Recht entsteht nie im luftleeren Raum am grünen Tisch, sondern immer aus einem Zusammenspiel zwischen Lebenspraxis und staatlichen Schutzerfordernissen. Man kann z.B. nicht wissen, wie GoogleDocs datenschutzkonform einsetzbar ist, ohne dass es verwendet wird - erst dabei entstehen Fragen und Probleme, die es zu lösen gilt. Auch im Bereich der sogenannten Hasskommentare in den sozialen Medien differenzieren sich nach meiner Wahrnehmung Rechtsnormen und ihre Auslegung wie in anderen Feldern weiter aus. Mit undifferenzierter Kritik werden paradoxerweise u.U. im Bereich des Datenschutzes Rechtsnormen befördert, die viel zu weitgehende Möglichkeiten für Schulen eröffnen - genau das ist nämlich dann u.U. die Art und Weise, wie Ministerien dann meiner Einschätzung nach reagieren werden.
Und leider schützt man Kinder und Jugendliche meiner Meinung nach gerade nicht dadurch, indem man digitale Mündigkeitsentwicklung so lange dem Elternhaus überlässt, bis formal alles abgesichert ist - darauf läuft eine rein formale Haltung nämlich hinaus. Auch das Recht auf umfassende Bildung zählt für mich zu den Grundrechten und ist für mich eng mit der Menschenwürde verknüpft.
Nebenbei frustriert man völlig undifferenziert sowohl Lehrkräfte und Schulen, die noch sehr naiv mit dieser Problematik umgehen als auch reflektierte Kolleginnen und Kollegen, die heute schon versuchen, einen Ausgleich zwischen dem berechtigten Bedrohungsszenario der Verdatung der Schülerschaft der Großkonzerne und der Notwendigkeit digitaler Mündigkeitserziehung zu erreichen. Ohne den praktischen Einsatz digitaler Werkzeuge ist kein authentischer Zugang zum digitalen Raum möglich - oder eben allenfalls ein sehr begrenzter. Jeder Dogmatismus in die eine oder andere Richtung ist nach meinen Erfahrungen schädlich.
Aber schauen wir uns in ganz komprimierter Form an, wie Datenschutz von seinem Wesen gedacht ist, denn eigentlich ist er eine gute und wichtige Sache.