Der Digitalpakt ist als politisches Konstrukt zu verstehen. Er dient Parteien dazu, die eigene Handlungsfähigkeit im Bereich der Digitalisierung öffentlich zu dokumentieren. Inhaltlich ist er für diese weniger günstigen Begleitumstände dennoch relativ gut aufgebaut. Dennoch gibt es viel öffentliche Kritik, die sich im Wesentlichen an den folgenden Aspekten festmachen lässt.
Der Digitalpakt versteht sich bisher als eine einmalige Anschubfinanzierung. Durch die vorausgehenden Kapitel sollte deutlich geworden sein, dass ein kontinuierlicher Bedarf an finanziellen und personellen Ressourcen in den nächsten Jahren besteht. Mit einem isolierten politischen Zeichen ist es nicht getan. Es braucht eine konzeptionelle Verstetigung. Diese deutet sich in den „Coronanachschlägen“ zum Digitalpakt an.
Mit der konkreten Umsetzung stehen die Träger alleine da. Ausschreibungen, Leistungsverzeichnisse, die Gewährleistung von Support u.v.m. sind hier die Herausforderungen. Aufgrund tariflicher Vereinbarungen sind Träger gegenüber der freien Wirtschaft bei der Gewinnung kompetenter IT-Mitarbeiter im Nachteil. Das Arbeitsumfeld „Schule“ ist zudem nur für wenige ITler attraktiv - zu wenig strukturiert gewachsene IT-Landschaften, sehr anspruchsvolle Lehrkräfte und sehr individuelle Anforderungen gilt es zu konsolidieren. Da sind erhebliche kommunikative Konsequenzen erforderlich. Entsprechend angespannt ist die Bewerberlage und entsprechend hoch die Fluktuation.
Momentan ist so gut wie keine Phase der Lehrerausbildung inhaltlich oder methodisch hinreichend an eine Schule im Zeitalter der Digitalisierung angepasst. Die Lehrkräfte, die die Ausbildung mit hinreichenden Kompetenzen verlassen, haben diese in großen Teilen autodidaktisch erworben. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit für eine Qualifikation ja nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer in Ausbildung, sondern für sämtliche Lehrkräfte im deutschen Bildungssystem. Genau wie bei den IT-Supportkräften stellt sich hier schnell die Frage, wer das in diesem gewaltigen Umfang momentan leisten soll. In einigen Bundesländern scheint man dem Mut der Verzweiflung auf Blended-Learningangebote im Internet zu setzen. Multiplikatoren entwickeln Onlinekurse, in den dann im günstigsten Fall ein Rahmen für die Kompetenzentwicklung der Teilnehmenden gesetzt wird. Verschärfend kommt hinzu, dass Schule Menschen lange Zeit einen Schutzraum geboten hat: Sie können heute noch VHS-Kassetten weitgehend problemlos in einer Schule abspielen. Allein die Ankündigung, dass auch die DVD auf Dauer verschwinden wird, kann an mancher Schule viele Lehrkräfte immer noch erheblich irritieren. Auch das ändert sich, jedoch immer noch langsamer als der technologische Fortschritt mit seiner engen Verflechtung mit kulturellen Veränderungen. Wir stehen wieder einmal mehr vor einer beispiellosen Situation.
Der Digitalpakt unterscheidet in der Bund-Länder-Vereinbarung nicht zwischen Infrastruktur und Endgeräten: Beides muss eine Schule in „technisch-pädagogischen Einsatzkonzepten“ oder „Medienbildungskonzepten“ begründen. Aber wie begründe ich die Notwendigkeit von Straßen und Schienen, wenn ich mich zwischen Orten mit Verkehrmitteln bewegen können will? Infrastruktur wird immer benötigt und ist in meinen Augen „pädagogikneutral“. Spannend wird es eigentlich erst bei der Auswahl von Präsentationssystemen und Endgeräten - da sehe Schulen in der Pflicht, sich Gedanken zum Einsatz zu machen, damit sich die Geschichte der beamergestützten Whiteboardlösungen aus vorangegangenen Konjonkturpaketen nicht wiederholt. Und man hätte die Zeit, die der Aufbau von Infrastruktur benötigt, gut dafür nutzen können, um sich darum Gedanken zu machen. So sind die Schulen schon vorab dazu gezwungen. Meine Befürchtung geht dahin, dass nun Konzepte für den Leitzordner entstehen, die ähnlich wie Hygienepläne oder Methodenkonzepte in der Schule nicht gelebt werden können. Dazu bräuchte es prozessorientierte Ansätze und stetige vernetzte Weiterentwicklung - das Netz wird die nächsten Jahre auch nicht ruhen.