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Skriptografie - das Zeitalter des Leitmediums Schrift

Sprache als Leitmedium hat ihre Grenze. Spätestens, wenn komplexere kulturelle Vorgänge anstehen, ist sie als einziger Eröffner eines Kommunikationsraumes zu eingeschränkt, etwa wenn Bauwerke wie die ägyptischen Pyramiden zu erstellen sind.

Der Bau dieser Pyramiden stellte die antiken Architekten logistisch vor gewaltige Probleme. Man ist sich in der Forschung bis heute nicht sicher, wie die jeweiligen Einzelprobleme angegangen wurden - fest steht jedoch, dass ohne Baupläne, Mengen- und Größenangaben, Personalplanung usw. der Bau solcher Monumente nicht möglich gewesen wäre. Es bedurfte der Schrift als neuem Leitmedium, um diesen Herausforderungen Herr zu werden. Das dürfte auch für eine Menge anderer antiker Monumente so gültig sein. Sprache war nach wir vor wichtig, z.B. zur Verständigung auf dem Bau oder während der Planungen, aber sie dürfte allenfalls notwendige, aber nicht mehr hinreichende Bedingung zum Gelingen großer Bauvorhaben gewesen sein.

Die Schrift schuf auch die Voraussetzung für jede Art von Institutionen: Verschriftlichtes Recht in Form von Gesetzen sowie die Weitergabe von Befehlen, Regelungen und Informationen über große Entfernungen hinweg waren Grundpfeiler des aufkommenden Staatswesens. Unter dem Einfluss der römischen Hochkultur verschwanden vorerst viele Stammesgesellschaften in Zentraleuropa, indem sie Stück für Stück in die Kultur der Invasoren integriert oder besiegt wurden.

Ob man schreiben und lesen konnte oder nicht, hatte im alten Ägypten unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensstandard. Diese Fähigkeit entschied über die Karriere in den Institutionen oder einem Leben als Arbeiter oder Bauer.

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie der ägyptische Staat auch durch das Leitmedium Schrift organisiert werden konnte, mag dieses Zitat dienen:

Mit dem Alten Reich wurde die Verwaltung komplexer. Direkt unter dem Pharao stand nun der Wesir. Er hatte die Aufsicht über die Exekutive (Ausführende Gewalt im Staat, wie zum Beispiel Verwaltung) im Land. Sein Amt ist mit dem des heutigen Premierministers zu vergleichen. Da der Wesir die Exekutive im Land beaufsichtigte, musste er die innerägyptische Verwaltung kontrollieren und koordinieren, juristische Aufgaben wahrnehmen und für Recht und Gerechtigkeit im Staat sorgen. Legislative Funktionen (Gesetzgebung) hatte er nicht, da dies alleiniges Vorrecht des Königs war. Ihm unterstand die Landesverwaltung und deren nachgeordnete Ämter auf lokaler und regionaler Ebene. Alle Archive, die Land und Leute erfassten, unterstanden allein ihm. Für den Inhalt dieser Archive war er verantwortlich. 1)

Durch die institutionelle Organisation des Staates werden Strukturen komplexer und der Grundstein für das Prinzip der geteilten Zuständigkeiten - jeder im heutigen Schulsystem kann ein Lied davon singen - ist damit gelegt. Schrift als Grundlage ist hier nicht nur Technologie, sondern hilft auch bei der Formung eines sich neu konstituierenden Kommunikationsraumes.

Wenn man als Individuum sein Leben in diesem Staat mit größtmöglicher Wahlfreiheit gestalten wollte, musst man sprechen, lesen und schreiben können.

Für das Erlernen von Schrift gab es neue Voraussetzungen:

  • Man musste motorische Übungen mit Werkzeugen machen
  • Man musste eine (kulturell geprägte) systematische Einweisung erhalten
  • Man musste kulturell privilegiert oder kulturell verpflichtet sein.

Die Voraussetzung kamen zu den Fähigkeiten aus der Leitkultur der Sprache mit hinzu. Die Sprache selbst blieb, war aber nicht mehr primär gesellschafts- oder kulturkonstituierend.