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digitalitaet:typografie [2021/02/26 12:04] administratordigitalitaet:typografie [2021/02/28 14:20] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1
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 Was wir heute gerne außer Acht lassen, ist die Tatsache, dass es sich bei der Typografie um eine Technologie handelt, bei der es geraume Zeit gebraucht hat, bis sie z.B. emanzipatorische gesellschaftliche Entwicklungen beförderte. Man sieht das recht gut auf dieser Grafik, die die thematische Verteilung von Bücher auf dem Londoner Buchmarkt um 1700 darstellt - also immerhin 250 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks.  Was wir heute gerne außer Acht lassen, ist die Tatsache, dass es sich bei der Typografie um eine Technologie handelt, bei der es geraume Zeit gebraucht hat, bis sie z.B. emanzipatorische gesellschaftliche Entwicklungen beförderte. Man sieht das recht gut auf dieser Grafik, die die thematische Verteilung von Bücher auf dem Londoner Buchmarkt um 1700 darstellt - also immerhin 250 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks. 
  
-{{ :digitalitaet:buchmarkt1700.png?direct |Londoner Buchmarkt um 1700 - Lizenz CC-BY (Olaf Simons)}}+{{ :digitalitaet:buchmarkt1700.png?direct&500 |Londoner Buchmarkt um 1700 - Lizenz CC-BY (Olaf Simons)}}
  
 Der Londoner Buchmarkt wird zu einer guten Hälfte von Büchern zu "Divinity" (religiöse Schriften) bestimmt. Die Natur- und Geisteswissenschaften, die wir heute eng mit dem Buchdruck verknüpft sehen, spielten eine untergeordnete Rolle. Mit die allerersten Druckerzeugnisse waren Ablassbriefe: Der Londoner Buchmarkt wird zu einer guten Hälfte von Büchern zu "Divinity" (religiöse Schriften) bestimmt. Die Natur- und Geisteswissenschaften, die wir heute eng mit dem Buchdruck verknüpft sehen, spielten eine untergeordnete Rolle. Mit die allerersten Druckerzeugnisse waren Ablassbriefe:
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 Typografie war Voraussetzung für noch eine weitere Entwicklung, die das Internet im Laufe seiner Geschichte immer mehr bestimmt hat, wie Sie im nächsten Teil dieses Buches noch ausführlicher sehen werden. Mit der Typografie erstarken die Märkte. Dabei sind keinesfalls die auch schon im Mittelalter bestehenden Verkaufsmärkte in Städten gemeint, sondern das, was wir heute meinen, wenn wir z.B. von "freien Märkten" sprechen. Typografie war Voraussetzung für noch eine weitere Entwicklung, die das Internet im Laufe seiner Geschichte immer mehr bestimmt hat, wie Sie im nächsten Teil dieses Buches noch ausführlicher sehen werden. Mit der Typografie erstarken die Märkte. Dabei sind keinesfalls die auch schon im Mittelalter bestehenden Verkaufsmärkte in Städten gemeint, sondern das, was wir heute meinen, wenn wir z.B. von "freien Märkten" sprechen.
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 +{{ :digitalitaet:maerkte.png?direct&400 |}}
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 +Verschiedene Institutionen interagieren in Märkten miteinander: Um z.B. das europäische Kolonialsystem aufzubauen, bedurfte es u.a. Staaten, Banken, Börsen, wirtschaftliche Gesellschaften u.v.m.. Damit untereinander Informationen schnell ausgetauscht werden konnten, war die Typografie als ökonomisches Instrument dafür unverzichtbar. Stellen Sie sich eine Zeitung mit tagesaktuellen Aktienkursen ohne Drucktechnik vor, Genehmigungsvorgänge ohne gedruckte Formulare oder natürlich auch die Verbreitung von Wissen und Kultur ohne gedruckte Bücher! Vieles wäre auch allein auf skriptologischer Technologie denkbar - wie nicht nur das römische Reich historisch zeigt. Aber die Effizienz und Geschwindigkeit ist dabei eine andere. Mit dem Druck "skalieren" Prozesse auf einmal: Sie konnten Schulbücher in weit entfernte Kolonien exportieren, es war möglich, tagesaktuelle Nachrichten an viel mehr Menschen als je zuvor zu verteilen - alles unbedingte Voraussetzungen für funktionierende Märkte - und letztlich auch den Kapitalismus als bald marktbeherrschende Funktionslogik dahinter.
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 +Es wäre aber mehr als verkürzt, den Druck allein als Wegbereiter des Kapitalismus zu begreifen. Durch und mit ihm entwickelten im mitteleuropäischen Raum z.B. Literatur und Musik zu einer vorher nie denkbaren Blüte. Zunehmend dominierten ab 1700 weltliche Inhalte den europäischen Buchmarkt. Bis heute haben z.B. die Werke von Schiller und Goethe im schulischen Literaturkanon einen festen, kaum wegdenkbaren Platz. Warum welcher Autor jedoch zu Bekanntheit gelangte, war schwer vorhersehbar und hing nicht selten von Zufällen ab. Dass der Buchdruck für die Verbreitung eine gewichtige Rolle spielte, scheint hingegen sicher. 
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 +**Die Typografie als neue Kulturtechnik verlangte im Gegensatz zur Skriptografie nach nochmals erweiterten Fähigkeiten.**\\
 +  * Die Fähigkeit externe Gedankenmuster in eigene Gedankenstrukturen zu übertragen
 +  * Die Bewertung von Texten auf unterschiedlichen Ebenen (z.B. sachlich, ästhetisch, im Hinblick auf die Herkunft)
 +  * Die Entwicklung erster Filterstrategien für z.B. unzuverlässige Informationen (z.B. in pietistischer Erweckungsliteratur)
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 +| [[digitalitaet:skriptografie|{{ :artefakte:seite_zurueck.png?nolink&30 |}}]]  | [[:start|{{ :artefakte:home.png?nolink&30 |}}]]  | [[digitalitaet:digitalitaet|{{ :artefakte:seite_vor.png?nolink&30 |}}]]  |
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