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Kritiker und Verweigerer als wertvoll erkennen
„Das Wasser fließt dorthin, wo es keinen Widerstand gibt. Deshalb geht ohne Widerstand alles den Bach runter.“ (I. Brantsch)
Ich befinde mich mitten auf dem Land auf einer Einführungsschulung zu einer Schulserverlösung. Da höre ich aus dem Off ein leises, aber prägnant gezischtes „Dieser digitale Mist kann mir gestohlen bleiben!“. Mein erster Impuls ist eine aggressive Intervention. Ich entscheide mich aber zu einer Nachfrage (nachdem ich vorher schon oft in solche Fallen gelaufen bin): „Was finden Sie an den digitalen Methoden schwierig?“. Die Antwort ist eine fundierte Gesellschaftskritik, die später dann Einfluss bei der Gestaltung des Medienbildungskonzepts für die Fächer Geschichte und Politik diente.
Diese kleine Anekdote zeigt, dass es sehr gute Gründe gibt, reserviert gegenüber digitalen Arbeitstechniken zu sein. Selten liegen diese auf Ebene einer Sozialkritik, häufiger spielen Ängste dabei eine große Rolle, die sich in Sätzen verbalisieren wie:
- „Gegen dieses Handyzeug komme ich eh nicht gegenan!“ (Resignation)
- „Die Schüler:innen sind viel besser als ich!“ (Unsicherheit)
- „Ich finde diese neue Entwicklung nicht gut. Die sollen erst wieder schreiben und rechnen lernen!“ (Dualismus - es geht um sowohl - als auch)
- „Ständig kommt hier im Beruf etwas Neues!“ (Veränderungsangst)
Die dritte Aussage setzt z.B. implizit, dass derjenige es so empfindet, als solle sofort alles nur noch digital vonstatten gehen. Diese Angst ist am leichtesten zu entkräften: In allen mir bekannten Laptop- und Tabletklassen wird nach wie vor geschrieben und mit dem Kopf gerechnet.
Ängste haben ein wichtige Schutzfunktion. Sie können vor Arbeitsüberlastung genau so gut schützen wie vor als unangenehm empfundenen Zuständen.
Ängste finde ich bei der Arbeit an Medienbildungskonzepten nur schlimm, wenn sie nicht geäußert werden oder dazu führen, dass Kolleg:innen persönlich übergriffig werden - was aber durch den irrationalen Charakter von Ängsten immer wieder passiert!
Dazu zwei Beispiele: Seit Schulen in der Region bei uns über ein Passwort sowohl auf Medienquellen des Landes als auch auf die Medien des Kreismedienzentrums an ihrer Schule über das Internet zugreifen können, wächst die Akzeptanz einer Schulserverlösung auch bei anfänglichen Kritikern.
Einige Schulen stellen auch den Lehrkräften den Vertretungsplan online bereits am Abend vorher zur Verfügung. Alternativ konnte man den Plan auf den Infotafeln der Schule vor der ersten Stunde einsehen, man musste also in der Schule erscheinen, auch wenn man vielleicht Freistunden hatte. Gab es anfänglich noch erboste Reaktionen, dass nicht erwartet werden könne, privat einen Internetzugang für dienstliche Zwecke vorzuhalten, schaut nun fast jede Lehrkraft abends auf die schulinterne Kommunikationsplattform – und ist nebenbei über die E-Mailfunktion dort auch erreichbar.
Beide Beispiele mögen keine großen Würfe im Hinblick auf die Digitalisierung des Unterrichts sein, schaffen aber erst die notwendige Akzeptanz für weitere, tiefgehendere Veränderungen von Verfahren.
„Alle großen Entdeckungen gehen durch drei Stadien: Erst werden sie belächelt, dann werden sie heftig bekämpft und schließlich werden sie als selbstverständlich angenommen!“
(Arthur Schopenhauer)