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buch:kapitel02 [2016/11/19 18:45] – [Präsentation und Produktion] administratorbuch:kapitel02 [2016/11/19 19:02] – [(Medien)analyse, Medienkritik und ethische Reflexion] administrator
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 [[material:praesentation|Hier]] gibt es ein konkretes Unterrichtsbeispiel aus diesem Kompetenzbereich. [[material:praesentation|Hier]] gibt es ein konkretes Unterrichtsbeispiel aus diesem Kompetenzbereich.
  
- +==== (Medien)analyse, Medienkritik und ethische Reflexion ==== 
 +Dieser Kompetenzbereich ist ein schönes Beispiel dafür, dass Medienbildung - genau wie übrigens die Informatik - ganz ohne Technik und Netze funktionieren kann, wie [[material:medienethik|dieses Beispiel]] zeigt. 
 + 
 +Ich nenne jetzt stellvertretend für eine Vielzahl möglicher Fragestellungen in diesem Bereich einmal ein paar weitere Aspekte, mit denen sich eine Beschäftigung lohnt. 
 + 
 +  - Target, der zweitgrößte Discounteinzelhändler nach Walmart in den USA, nutzt die Auswertung Einkaufsverhalten von jungen Frauen zur [[http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2014-04/big-data-schwangerschaft-verheimlichen|Bestimmung des Schwangerschaftsmonats]] und in der Folge für zielgerichtete Werbung. 
 +  - [[https://schulesocialmedia.com/2016/09/26/wie-haustiere-lehrkraefte-auf-snapchat/|Schülerinnen und Schüler fertigen heimlich Bild- und Tonaufnahmen]] von Lehrkräften im Unterricht, verarbeiten sie weiter und veröffentlichen das Ergebnis z.B. auf Socialmedia. 
 +  - Google und andere Dienste gewinnen Verkehrsdaten aus Bewegungsprofilen von Smartphones. 
 +  - Wahlen finden mittlerweile in der Welt teilweise EDV-gestützt statt. 
 +  - Demokratische Abstimmungen können u.U. durch gezielten Einsatz von Socialmediabots manipuliert werden - zumindest ist das ein denkbares technisches Szenario. 
 +  - Interessant sind auch immer wieder die herrlich dystopischen Essays von Evgeny Morozov. 
 +  - […] 
 + 
 +Natürlich gehören in diesen Bereich auch noch weitere Fragestellungen wie z.B. Geschäftsphilosophie der Sharing Economy4 z.B. AirBNB (Wohnungsvermittlungsdienst) oder Uber (taxiähnlicher Fahrtenvernittler). Die Themen sind eigentlich in ihrer Breite kaum zu fassen, jedoch hochspannend, da im digitalen Raum zurzeit Werte und Grenzen komplett in einem zusätzlich globalisierten Kontext völlig neu ausgehandelt werden. 
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 +===== Das Medienbildungskonzept als Querschnittsaufgabe ===== 
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 +„Da wird jetzt etwas von außen einfach über alle Fächer gestülpt, was nicht an ein Fachcurriculum angebunden ist und damit in einer Fachschaft durchsetzbar wäre.“ (stellvertretender Schulleiter eines Gymnasiums) 
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 +Als ich dieses Zitat in der Beratung einer Schule zu hören bekam, habe ich mich erst furchtbar geärgert, weil ich primär die Ablehnung eines Medienbildungskonzeptes wahrgenommen habe. Dabei hat dieser stellvertretende Schulleiter eigentlich alles verstanden: 
 +  - Medienbildung ist genau wie Sprachförderung Aufgabe aller Fächer. 
 +  - Medienbildung muss in den Hauscurricula jedes einzelnen Faches verankert sein. 
 +  - Medienbildung erfordert genau wie Sprachförderung eine enge Abstimmung zwischen den Fächern. 
 +  - Allein in einer Fachschaft ist erfolgreiche Medienbildung nicht zu implementieren. 
 +  - Fachschaftsübergreifende als oftmals strukturverändernde Arbeit ist eine immense Aufgabe (aus meiner  
 +  - Erfahrung: Gerade an Gymnasien mit ihrem ausgeprägten Fachlehrerprinzip!) 
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 +Neben der Verankerung in den Fächern kommen auch noch weitere Aspekte hinzu: 
 +  * Organisation der Kommunikation an einer Schule (das betrifft natürlich auch das Verwaltungsnetzwerk) 
 +  * Fortbildungskonzept für Lehrkräfte passend zur vorhandenen Hardware und deren didaktischen Einsatzmöglichkeiten. 
 +  * Organisation der Zusammenarbeit mit dem Träger (Schulamt, technischer Support) 
 +  * Organisation der Nutzerverwaltung im Schulnetzwerks 
 +  * Das muss natürlich auch Auswirkungen auf die Aufgabenverteilung innerhalb des Schulleitungsteams haben  
 +  * Bei großen Schulen ist die Schaffung entsprechender Stellen in diesem Bereich zu überdenken oder alternativ die Bereitstellung von Entlastungsstunden, was alles in bestehende Strukturen eingreift. 
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 +===== Das Medienbildungskonzept als „unleitzbare“ Anforderung ===== 
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 +Schulen werden überhäuft mit der Anforderung sehr viele Konzepte zu erstellen. Hygeniepläne, Förderpläne, Arbeits- und Datenschutz, Prävention, Alarmpläne usw.. Diese Arbeit ist mit den bestehenden Ressourcen oft nicht sinnvoll zu erledigen, weswegen sich meist zwei Grundstrukturen ausprägen. 
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 +„Wir schauen, was andere Schulen so haben und passen das an! Dann stellen wir den Ordner ins Regal.“ 
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 +„Wir machen was Eigenes, schreiben das auf und stellen den Ordner ins Regal. Dann nehmen wir uns das nächste vor.“ 
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 +Das Ergebnis findet sich meist auf Homepages z.B. in Form von völlig veralteten Medienbildungskonzepten aus dem Jahre 2003. Das ist im Kontext der Anforderungen, die an Schule heutzutage gestellt werden, auch völlig nachvollziehbar.  
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 +Ein Leitzordner ist immer ein virtueller Haken im Geiste einer Schulleitung. Die Konzeptdichte explodiert vor allem in zeitlicher Nähe zur Schulinspektion – frei nach dem guten, alten  Motto: „First fake it, then make it“. 
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 +Wenn man diese Struktur auf ein Medienbildungskonzept überträgt, kommt etwas „Leitzbares“ heraus, was mit ein wenig Pech genauso intensiv an der Schule gelebt wird wie ein Hygieneplan. Zusätzlich ist die technische Entwicklung immer noch in vollem Gang, sodass ein solcher Leitzordner sehr schnell wieder veraltet sein wird. 
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 +Medienbildung ist als solche immer noch sehr starkem Wandel unterworfen. Zusätzlich ist extrem schwer bestimmbar, wie künftige Entwicklungen aussehen werden. Das gilt sowohl für die Entwicklung im Hardwarebereich als auch bezogen auf gesellschaftliche Entwicklungen. 
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 +Deswegen ist die Entwicklung eines Medienbildungskonzeptes von starken Unsicherheiten geprägt: Es gibt kaum „gesetzliche Vorgaben“ oder klar in Curricula geregelte Vorgehensweisen. Die einzelne Schule ist damit alleingelassen.  
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 +Das sind ungewohnte, neuartige Strukturen, die oft Abwehr- und Selbstschutzmechanismen auslösen.  
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 +„Müssen wir das andauernd neu schreiben?“ 
 +„Kann man das denn überhaupt für einen Zeitraum x festlegen?“ 
 +„Dann sitzen wir das einfach aus, bis jemand etwas entwickelt hat!“ 
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 +Das Dilemma lässt sich teilweise lösen, indem man das Medienbildungskonzept als „lernenden Text“ organisiert – das Konzept der Wikipedia, die damit auch sehr traditionelle gedruckte Enzyklopädien ersetzt hat.  
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 +Das kann z.B. in einem kollaborativen Dokument (Office 365, Etherpad, GoogleDocs, Ownclouddokument) geschehen oder aber auch in einem Wiki und der schuleigenen Lernplattform – wenn vorhanden. Dank Versionierung (man kann immer wieder zu jedem Bearbeitungsstand zurückkehren) ist auch das Risiko einer solchen Lösung überschaubar gering.  
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 +Wichtig ist, dass dieser Text von möglichst vielen Beteiligten immer wieder verändert, neu strukturiert und überarbeitet werden kann – zeit- und ortsunabhängiger Zugriff ist zusätzlich vor diesem Hintergrund sehr wichtig. Papier oder Dateien sind aus meiner Sicht hier keine geeigneten Medien. 
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 +Diese Organisationsform ist kein Garant für mehr Partizipation. Aber sie macht ein Angebot. Eventuell kann sie auch als trojanisches Pferd dienen, auch andere Konzeptentwicklungsprozesse so zu organisieren oder sogar kollaborative Dokumente im Unterricht selbst einzusetzen.